Indoor wie Outdoor – der Bergsport in all seinen Facetten boomt wie nie zuvor. Kletterhallen sprießen in Städten wie Pilze aus dem Boden. Mountainbike-Trails, Klettergärten und Wanderpfade auf dem Land ebenso. Sportartikelhersteller aus der Outdoor-Branche vermelden Jahr für Jahr Umsatzsteigerungen. In den Spitzenmonaten im Sommer haben Berghütten Übernachtungszahlen, von denen Stadthotels nur träumen können. Die Begeisterung für Bewegung und Aktivsein ist begrüßenswert. „Doch es kommt auf das Wie an. Sowohl die Naturkonsumenten als auch alle Anbieter bergtouristischer Attraktionen sollten dies kritisch hinterfragen. Es gibt Grenzen, die bereits eifrig überschritten werden“, so der Extrembergsteiger Stefan Glowacz. Im Interview spricht Stefan Glowacz über seine Vorbildfunktion als Profisportler, Naturschutz und die Berge als Touristenattraktion.

Foto:  Klaus Fengler

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Sie haben einen Beruf gewählt, in dem Sie sehr kreativ sein müssen, um noch Neuland zu betreten. Gibt es Grenzen? Gibt es Regionen, in die Sie nicht vordringen möchten?

Für mich gibt es klare Grenzen. Man kann sich heute theoretisch, sofern man genügend Geld hat, an jedem Punkt dieser Erde absetzen lassen. Viel interessanter ist es aber, aus eigener Kraft – by fair means – dort anzukommen. Als ich vor etwa zehn Jahren nach Queen Maud Land in die Antarktis wollte, habe ich in der Planung realisiert, wie groß und teuer der technische Aufwand ist und habe beschlossen dieses Ziel auszulassen. Davon abgesehen, dass ich das Geld nicht aufbringen konnte, erschien mir der Aufwand unnatürlich hoch. So viel zu investieren, nur um seinen eigenen Spaß zu haben? Das ist auch moralisch verwerflich. Heilige Berge sind ebenfalls tabu. Ich will nicht die Gefühle anderer Menschen verletzen. Auch wenn jemand auf eine Stupa, ein buddistisches Denkmal mit spiritueller Bedeutung, klettert und sich dort ablichten lässt, verhält er sich meiner Meinung nach wenig respektvoll. Für mich jedenfalls hat Klettern sehr viel mit Anstand zu tun. Ich passe mich den Gegebenheiten vor Ort an. Als ich in Baffin Island war, planten wir eigentlich, die erste Etappe mit Hundeschlitten zurückzulegen. Aber diese werden nur noch für die Eisbärenjagd eingesetzt und nicht mehr für den Transport von Mensch sowie Material über weite Distanzen. Die einheimischen Jäger vor Ort schlugen uns vor, ihre Skidoos zu benutzen, welche die einzige Chance darstellten, ins Zielgebiet zu gelangen. Dieses Angebot nahmen wir an. Uns blieb gar keine andere Wahl. Das ist für mich durchaus legitim. Aber ich würde niemals einen Skidoo extra für meine Expedition einfliegen lassen oder mich mit dem Hubschrauber ins Zielgebiet bringen lassen. Es geht mir nicht ausschließlich um die klettersportliche Höchstleistung an einer unbekannten Wand am Ende der Welt, sondern primär um den ganzheitlichen Ansatz – zurückhaltend, behutsam, ohne Spuren zu hinterlassen.

Foto:  Klaus Fengler

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Natur- und Umweltschutz. Sind das Themen für Sie? – privat und/oder öffentlich?


Privat ist das ein großes Thema für mich. Ich setze mich aktiv für den Umweltschutz ein. Beruflich versuche ich das auch zu praktizieren, aber ich muss in meinem Job mobil bleiben. Das ist einfach so. Autofahren, Reisen und Fliegen sind meine Lebensgrundlage. Aber ich fahre nicht länger als zwei Stunden mit dem Auto zum Klettern, wenn ich auch vor der Haustür trainieren kann. Das ist mein Verständnis von umweltbewusstem Leben als Kletterer. Ich verwende niemals einen Helikopter für meine Aktionen. Aber ich steige natürlich regelmäßig in den Flieger, worauf sich Kritiker gerne versteifen. Jedoch habe ich mir nichts vorzuwerfen, denn ich gehe bewusst mit meiner Umwelt um. Berge als Touristenattraktion. Wie beurteilen Sie deren derzeitige Vermarktung? Bergbahn-Betriebsgesellschaften versuchen die schwachen Sommer-Umsatzzahlen anzukurbeln, indem Zusatzattraktionen geschaffen werden. Als Unternehmer kann ich betriebswirtschaftliche Überlegungen dieser Art durchaus nachvollziehen. Trotzdem appelliere ich an die Verantwortlichen in entsprechenden Gremien Alternativen beispielsweise zu breiten Wander- oder Nordic-Walking Pfaden zu finden. Als solche könnte man wesentlich schmalere Bike-Trails in von Bergbahnen bereits erschlossenen Gebieten bezeichnen. Junge Menschen frequentieren diese Trails sehr stark. Oder auch behutsam angelegte Höhenwanderwege, die mit der Bergbahn zu erreichen sind. Sie sind eine Bereicherung für das touristische Angebot von Ferienregionen.

Bilder:  Klaus Fengler Quelle: Stefan Glowacz